Immer öfter bewerben Hersteller ihre Produkte oder Verpackungen mit „biologisch abbaubar“ oder „kompostierbar“.
Das hört sich für uns als Verbraucher doch erstmal gut an – irgendwie umweltfreundlicher, richtig?
Allerdings sind die beiden Begriffe keine Synonyme und es ist wichtig, den Unterschied zu kennen.
Was genau hinter diesen Bezeichnungen steckt und du sonst noch darüber wissen solltest, sehen wir uns jetzt an.
Wozu das Ganze? Abbaubarkeit vs. Langlebigkeit
Mit zunehmendem technischen Fortschritt hat der Mensch die Fähigkeit erlangt, immer neue Materialien künstlich herzustellen. Diese kommen also in der Natur nicht vor und würden ohne den Menschen nicht existieren.
Plastikflaschen und -tüten, Konservendosen, Glasflaschen, Flugzeuge, Schiffe.
All diese Erfindungen sind sicherlich nützlich, allerdings haben sie eines gemein: sie lassen sich nicht wieder „zurückführen“ in die Natur – der Herstellungsprozess sich nicht umkehren.
Kunststoff lässt sich nicht wieder in Erdöl umwandeln, und Glas nicht in Quarzsand.
Bei bestimmten Erfindungen ist diese Haltbarkeit durchaus gewollt und gewünscht. Flugzeuge z.B. sollen nicht nach kurzer Zeit anfangen, sich zu zersetzen.
Langlebige Materialien haben ihre Berechtigung
Flugzeuge und Schiffe haben aber auch eine Verwendungszeit von teils mehreren Jahrzehnten, insofern ist die Beständigkeit der verwendeten Materialien durchaus gerechtfertigt.
Tatsächlich überdauern die verwendeten Materialien ihren ursprünglichen Verwendungszweck (z.B. den eines Flugzeugs) sogar bei weitem.
Wenn wir die Materialien dann recyclen, nutzen wir ihre Beständigkeit optimal, weil wir sie für immer neue Produktformen wiederverwenden.
Flugzeuge und Schiffe sind keine Einmalprodukte – keine Wegwerfprodukte.
Müssen Einweg-Produkte wirklich beständig sein?
Warum verwenden wir dann aber die gleichen Materialien (Kunststoff, Aluminium, etc.) für Produkte, die von vornherein nur einmal (oder sehr kurz) benutzt werden?
Kaffeekapseln aus Alu, Einweg-Trinkflaschen aus Kunststoff, dünne Plastiktüten (die eh nach spätestens 2 Benutzungen reißen und im Müll landen).
Statt wiederverwendet zu werden, landen diese Einmalprodukte in unserer Umwelt – im „besten“ Fall auf Müllkippen, viel öfter aber in freier Natur, in Flüssen und unseren Meeren.
Das ist ökologischer Irrsinn – und genau hier kommen biologisch abbaubare Materialien ins Spiel.
Denn ist es nicht viel sinnvoller Materialien zu verwenden, die sich in absehbarer Zeit zersetzen, wenn sie ohnehin nur kurz (oder sogar nur einmalig) verwendet werden?
Biologisch abbaubar vs kompostierbar – Unterschiede & Gemeinsamkeiten
Biologische Abbaubarkeit bedeutet, dass ein Stoff durch biologische Prozesse – also durch lebende Mikroorganismen (Bakterien & Pilze) – zersetzt werden kann.
Dabei wandeln die abbauenden Organismen das Produkt im Idealfall komplett in Wasser, CO2 und Biomasse um.
Beispiel:
Jeder von uns weiß, was mit Obst passiert, wenn wir es ein paar Wochen liegen lassen.
Geben wir den Schimmelpilzen und Bakterien ausreichend Zeit (vorzugsweise auf dem Kompost anstatt in der Küche), bleibt am Ende vom Obst nichts mehr über.
Es wird komplett „verdaut“ – also abgebaut in seine ursprünglichen Bausteine.
Dieser biologische Abbau passiert also ohne unser Zutun von ganz alleine, die Natur kümmert sich darum. Wie schnell oder langsam der Abbau erfolgt, ist nicht festgelegt bei der Definition „biologisch abbaubar“.
Die Geschwindigkeit des Abbaus hängt von vielen Umgebungsbedingungen ab, unter anderem von Temperatur, Feuchtigkeit und Sauerstoffverfügbarkeit (wobei biologischer Abbau sowohl mit als auch ohne Sauerstoff stattfinden kann).
Kompostierung ist menschlich gesteuerter biologischer Abbau
Kompostierung hingegen ist ein von Menschen gesteuerter Prozess, bei dem versucht wird, ideale Bedingungen für den biologischen Abbau herbeizuführen und zu halten.
Letztendlich passiert also bei der Kompostierung nichts anderes als biologischer Abbau – beschleunigt durch den Menschen, weil er darauf achtet, dass sich die Mikroorganismen möglichst wohl fühlen.
Weil die Kompostierung ein menschlich überwachter Prozess ist, hat der Mensch auch bestimmte Regeln und Kriterien dafür erfunden.
So gilt ein Produkt laut EU Norm EN 13432 dann als kompostierbar, wenn es in einer industriellen Kompostieranlage unter anderem folgende Bedingungen erfüllt:
- innerhalb von 6 Monaten zu mindestens 90 % durch Mikroorganismen in CO2 umgewandelt wird
- Zusatzstoffe dürfen zu maximal 1% der Ausgangsmasse enthalten sein und müssen unbedenklich sein (ungiftig & keine negativen Effekte auf das Pflanzenwachstum)
In diesen Kompostieranlagen liegen optimale Bedingungen für die Mikroorganismen und damit für eine schnelle Zersetzung vor. Beispielweise herrschen dort 50-70°C und die Wasser- und Sauerstoffverfügbarkeit wird stetig überwacht und geregelt.
In Deutschland erfolgt die Zertifizierung und die Vergabe des Kompostierbarkeitszeichens als Umweltgütesiegel über die Zertifizierungsgesellschaft DIN CERTCO.
Du erkennst derart zertifizierte Produkte an dem Siegel „DIN-Geprüft industriell kompostierbar“ oder dem „Keimling“ des European Bioplastics e. V.
Wie du siehst, ist neben dem schnelleren Abbau in CO2 und Wasser ein weiteres Ziel der Kompostierung, wertvollen Boden zu erhalten, der z.B. für den Ackerbau verwendet werden kann.
Herausforderungen mit biologisch abbaubaren & kompostierbaren Kunststoffen
Wichtig zu beachten ist, dass das Zertifikat „kompostierbar“ sich an den Bedingungen einer industriellen Kompostieranlage orientiert.
Das bedeutet also, dass selbst als „kompostierbar“ gekennzeichnete Produkte nur sehr langsam oder gar nicht auf dem heimischen Kompost abgebaut werden, weil dort nicht die idealen Bedingungen vorliegen.
Außerdem kommt hinzu, dass je nach nationalen und regionalen Gegebenheiten die Verweildauer in den industriellen Kompostieranlagen teilweise zu kurz ist, um den vollständigen Abbau der Biokunststoffe zu ermöglichen.
Das hat rein wirtschaftliche Gründe, weil es für die Betreiber der Anlagen zu teuer wäre, den Produkten mehr Zeit zur Zersetzung zu geben.
Weil aber Landwirte und andere Abnehmer keine unzersetzten Reste von Verpackungen in der Erde haben möchten, sind die Betreiber der Kompostieranlagen nicht sonderlich an den abbaubaren Kunststoffen interessiert.
Auch das trägt dazu bei, dass eigentlich vollständig abbaubare Produkte (wenn sie mehr Zeit bekommen würden) doch in der Müllverbrennungsanlage landen.
Das wiederum muss allerdings nicht unbedingt pauschal „schlecht“ sein, wie wir uns in unserem Artikel über Biokunststoffe und deren Entsorgung näher angesehen haben.
Vorsicht bei „oxo-abbaubar“ oder „oxo-biologisch abbaubar“
Meiden wie die Pest sollten wir als „oxo-abbaubar“ beworbene Produkte.
Diese Plastikprodukte werden oft als tolle umweltfreundliche Lösung vermarktet, weil sie angeblich schnell „abgebaut“ werden.
Ein ganz klarer Fall von greenwashing, denn in Wirklichkeit sind diese Produkte ein großes Problem für unsere Umwelt und unser aller Gesundheit.
Warum?
Diesen herkömmlichen Kunststoffen werden lediglich Additive hinzugefügt, welche den Zerfall des Produktes in sehr kleine Fragmente fördern.
Übrig bleiben dann kaum sichtbare Kleinstpartikel, welche jedoch nicht biologisch abbaubar sind.
Oxo-abbaubare Produkte werden schnell Mikroplastik
Stattdessen wandern diese Mikroplastik-Partikel unsichtbar durch die Nahrungskette und gefährden so die Gesundheit der Lebenwesen, die sie konsumieren – inklusive des Menschen.
Offensichtlich steckt hinter dieser Erfindung das Motto „aus den Augen, aus dem Sinn“.
Oxo-Plastik ist damit ein prima Beispiel für exzellente Selbsttäuschung.
Denn nur, weil wir den Kunststoff nicht mehr mit bloßem Auge sehen können, so kontaminiert er dennoch auf Dauer unsere Umwelt und die Nahrungskette.
Diesem „oxo-abbaubaren“ Unsinn sind dann sogar herkömmliche Kunststoffe vorzuziehen, da bei ihnen zumindest noch die Möglichkeit besteht, sie aus der Umwelt zu entfernen – weil sie eben sehr lange „sichtbar“ bleiben.
Bei in Mikropartikeln zerfallenen „oxo-abbaubaren“ Produkten ist das praktisch unmöglich.
Ein schönes Ei ins Nest gelegt hat uns die Industrie also mit dieser „Errungenschaft“.
Weil die Gefahr durch oxo-abbaubare Kunststoffe so groß ist, hat die Europäische Union mittlerweile Schritte gegen deren Einsatz eingeleitet.
Heißt: Finger weg von „oxo-abbaubaren“ Produkten!
Fazit – Biologisch abbaubar vs. kompostierbar in 5 Stichpunkten
Wir hoffen, dieser Artikel hat dir geholfen, die Hintergründe zu den Begriffen besser zu verstehen.
Hier noch einmal kurz das Wesentliche zu den Gemeinsamkeiten und Unterschieden von biologisch abbaubaren & kompostierbaren Produkten:
- In beiden Fällen können Mikroorganismen das Produkt in Wasser, CO2 und Biomasse zersetzen
- Bei zertifiziert kompostierbaren Produkten bestehen gesetzliche Vorgaben, während biologischer Abbau ein Naturprozess ist (ohne gesetzliche Vorgaben)
- Kompostierung ist menschlich gesteuerter biologischer Abbau mit dem Ziel der schnelleren Zersetzung sowie landwirtschaftlicher Verwendung der entstehenden Biomasse
- Somit ist jede Kompostierung auch immer biologischer Abbau, aber nicht jeder biologische Abbau Kompostierung
- Als kompostierbar zertifizierte Produkte benötigen die Bedingungen industrieller Kompostierungsanlagen für ihre Zersetzung (und gehören damit nicht auf den Kompost im Garten)
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